GENERATION Y UND GENERATION Z IN DER ARBEITSWELT: WIE SIE DENKEN UND WAS SIE ERWARTEN

Interview mit Psychologe Philipp Hubert

 

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Kuratiert von

Johannes

11.08.2023

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Ob Generation Y oder Z: Junge Bewerber und Mitarbeitende sind für viele Unternehmen ein Rätsel. Das ist nicht nur schade, sondern auch überflüssig. Denn die Debatte wird von Vorurteilen geprägt. Was jungen Generationen wirklich auszeichnet, welche Erwartungen sie an potenzielle Arbeitgeber stellen und warum ansprechende Büros auch für Millennials & Co. wichtig bleiben, erklärt Psychologe und Unternehmensberater Philipp Hubert im Interview.

Herr Hubert, wir kennen in der modernen Arbeitswelt Bezeichnungen wie Generation Golf, Millennials, Generation Y oder Z. Aber mal ehrlich – sind diese Unterteilungen nicht sehr künstlich?


Es gibt schon Merkmale, die die einzelnen Generationen voneinander unterscheiden. Für die Generation Y etwa war der 11. September ein sehr prägendes Ereignis, das die Entwicklung dieser Generation beeinflusst hat. Gleichzeitig muss man sagen, dass jede Generation aus vielen Millionen Menschen besteht, die natürlich nicht alle ähnlich ticken. Die strikte Einteilung in Generationen anhand von Jahreszahlen hat daher immer etwas Willkürliches. Auch die Wissenschaft streitet, welches Jahr nun die Geburt der Generation Z markiert. Ich sehe diese Unterteilung daher eher als grobe Richtschnur, die der Orientierung dient.  

 

Wer hat diese Einteilung in verschiedene Generationen mit den ihnen zugeschriebenen Attributen eigentlich entwickelt?


Das Konzept kommt aus der Soziologie, die mithilfe von Studien versucht hat, gewisse Lebenswelten und Prägungen abzubilden. Das ist ja auch durchaus sinnvoll. Schließlich gibt es tatsächlich Ereignisse oder Entwicklungen, die einzelne Generationen sehr stark beeinflusst haben. Ich habe eben den 11. September als Beispiel genannt. Aber auch Technologien wie das Internet zählen dazu und beeinflussen, wie eine Generation denkt oder sich verhält.

Gerade der Generation Z wird oft vorgeworfen, sie sei zu fragil, wenig belastbar und halte nichts von harter Arbeit. Sind das Vorurteile oder steckt darin doch ein Körnchen Wahrheit?


Die Generation Z besteht aus rund 12 Millionen Menschen. Wären diese alle fragil und faul, hätten wir tatsächlich ein Problem. Das ist sicher nicht so. Wir sehen aber, dass psychische Erkrankungen bei jungen Menschen zunehmen. Eine Ursache: Die Generation Z geht viel früher in den Arbeitsmarkt als die Generationen vor ihr. Heute ist es nicht ungewöhnlich, mit 17 Jahren ein Studium zu beginnen und dann mit Anfang 20 in den ersten Job zu starten. Und ja – mit 20 ist man sicher noch fragiler, unsicherer und weniger belastbar als ältere Kollegen. Denn auch wenn der Arbeitsmarkt sich weiterentwickelt und unsere Arbeitswelt immer schneller wird – die Gehirnentwicklung passt sich diesem Trend nicht an. Wir wissen heute, dass diese erst in einem Alter von rund 25 Jahren annähernd abgeschlossen ist. Denken Sie gerne an Ihre eigene Jugend zurück: Waren Sie mit 19 oder 20 Jahren schon selbstbewusst, in sich ruhend und souverän? Wohl eher nicht.


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Philipp Hubert: „Jede Generation wird durch einschneidende Ereignisse oder technologische Entwicklungen geprägt.“

Wie entstehen diese Klischees denn? Denkt einfach jede Generation automatisch schlecht über die „Jugend von heute?“


So etwas gab es tatsächlich schon immer. Ich denke, ein Grund ist unbewusste Angst. Denn wenn junge Menschen in den Arbeitsmarkt drängen, andere Forderungen stellen und neue Fähigkeiten mitbringen, fühlen sich ältere Generationen ein wenig bedroht. Heute kommt mit der demografischen Entwicklung und dem Fachkräftemangel noch eine andere Entwicklung hinzu. Denn die Generation Z hat eine viel stärkere Verhandlungsposition als etwa die Generation X. Das erzeugt dann auch Neid. Hinzu kommt: Es ist immer einfacher, über junge Menschen zu sprechen als mit ihnen. So entstehen dann Vorurteile und Klischees.



Wie können diese Vorurteile abgebaut werden?


Das geschieht automatisch, wenn die verschiedenen Generationen miteinander in Kontakt kommen. Plötzlich merkt der erfahrene Kollege, dass der junge Azubi durchaus motiviert ist. Umgekehrt wird aus dem nervigen Boomer vielleicht ein geschätzter Mentor, von dem man als junges Talent noch viel lernen kann. Unternehmen sollten diese Durchmischung und den Austausch der Generationen also möglichst fördern.

Apropos Boomer: Übernimmt die Generation Z mit der Zeit die Wertvorstellungen älterer Menschen und damit das Verhalten, das sie zuvor kritisiert hat?


Gut – irgendwann wird man erwachsen, hat vielleicht ein Haus gebaut und eine Familie gegründet. Man hat also mehr zu verlieren, das man gerne gegen andere behaupten möchte. Tatsächlich gilt die Generation Z in Teilen bereits als relativ konservativ. Vor allem im Vergleich zu linken Jugendbewegungen wie den Punks. Selbst Fridays for Future ist keine besonders linke Bewegung. Dort versammeln sich junge Menschen aus bürgerlichen Familien, die hochgebildet sind und sich optisch kaum von der Masse abheben. 


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Generationenkonflikte sind in den Medien ein Dauerthema – gerade in Bezug auf die Arbeitswelt. Wird da vielleicht ein Problem größer gemacht, als es in der Realität ist?


Es gibt einen wahnsinnigen Hype um die Generation Z. Ich merke das auch ganz persönlich. Mein Buch „Generation Z – Personalmanagement und Führung: 21 Tools für Entscheider“ war 2020 während der Corona-Krise eher etwas für die Nische. Heute werde ich ständig zu Vorträgen und Diskussionsrunden eingeladen. Bei diesen Gelegenheiten erlebe ich immer wieder, wie pauschalisierend und klischeebehaftet die Medien über die Generationenfrage berichten. Da dann gegenzusteuern, ist gar nicht so einfach.

 

Nach dem Motto: Der böse Boomer und die Schneeflocken der Generation Z…


Genau – wobei es in der Realität gar nicht die Bommer sind, die die Generation Z aufs Korn nehmen, sondern eher die nachfolgende Generation X. Die Boomer sind oft schon längst in Rente und ihre Kinder der Generation X sind nun in den Führungspositionen. Die Generation X legt auch im Vergleich zu den Boomern viel mehr Wert auf Statussymbole und eine erfolgreiche Karriere. Wenn die eigenen Kinder der Generation Z dann scheinbar geringere Ambitionen haben als man selbst, sorgt das für Unverständnis. Ein Beispiel: Kürzlich forderte eine Unternehmensberaterin der Generation X im Handelsblatt-Interview und bei stern TV Unternehmen auf, nur noch Mitarbeitende ihrer Generation einzustellen. Die nachfolgenden Generationen seien zu wenig erfolgshungrig und unmotiviert. So etwas polarisiert natürlich und ist aus meiner Sicht auch sachlich falsch.

 

Philipp Hubert: „Das Außen und das Innen müssen zusammenpassen.“ 

Was erwarten denn junge Berufseinsteiger von Unternehmen?


Sie fordern das ein, was anderen Generationen nur versprochen wurde: Flexible Arbeitszeiten, Work-Life-Balance und eine faire Bezahlung. Mit Erfolg: Denn durch den demografischen Wandel ist die Generation Z die erste, die diese Forderungen durchsetzen kann. Die Unternehmen müssen sich also ehrlich machen und wohlklingende Marketingphrasen der HR-Abteilung Wirklichkeit werden lassen. Authentizität ist dabei enorm wichtig.

 

Wie meinen Sie das genau?


Viele Unternehmen präsentieren sich heute mit modernen Websites oder versuchen, Bewerber mit aufwendig produzierten Imagefilmen anzulocken. Wenn aber der Inhalt nicht hält, was die Verpackung verspricht, ist beides nichts wert. Bewerber merken sehr schnell, wenn Unternehmen ihre Mitarbeitenden blenden wollen und ziehen dann weiter. Gerade hochqualifizierte Talente haben ja kaum Probleme damit, beim Wettbewerb unterzukommen. 

 

Und wie schaffen es Unternehmen, die jungen Generationen langfristig zu binden?


Seien Sie von Beginn an ehrlich zu den Bewerbern. Fahren Sie keine beschönigende HR-Kampagne und stehen Sie auch nach der Unterschrift des Arbeitsvertrags zu Ihren Werten und Versprechen. Auf diese Weise ziehen Sie auch die richtigen Leute an! Wer die Bewerber blendet und das blaue vom Himmel verspricht, macht sich unglaubwürdig und setzt viel Geld für ein teures Employer Branding in den Sand.

 

Gilt das auch für die sozialen Medien?


Ja! Wenn der 50-jährige Personaler vom Mittelständler nebenan plötzlich lustige TikTok-Videos produziert, ist das oft nur unfreiwillig komisch. Glaubwürdiger ist es, wenn der Azubi diesen Kanal bespielt oder zumindest mitentscheidet, was gepostet wird. Dazu gehört auch, dass man den Nachwuchskräften vertraut – selbst dann, wenn einem der Inhalt selbst vielleicht merkwürdig vorkommt.

 

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Junge Berufseinsteiger legen angeblich besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz…


Das lässt sich so nicht verallgemeinern. Möglicherweise ist das Bewusstsein für den Umweltschutz stärker ausgeprägt. Dennoch bewerben sich auch in der Generation Z viele Menschen bei Autokonzernen oder bei anderen Unternehmen, die erst einmal wenig mit Umweltschutz zu tun haben. Nachhaltigkeit schadet also nicht, ist aber nicht das ausschlaggebende Argument für eine Bewerbung. Unternehmen sollten bei dem Thema ohnehin vorsichtig sein. Greenwashing geht immer nach hinten los. Wer nicht glaubhaft belegen kann, dass er sich mehr als der Durchschnitt für Umweltschutz engagiert, sollte damit auch nicht werben. 

 

Welche Rolle spielen flexible Arbeitszeitmodelle?


Ich kenne Unternehmen, die bieten aktuell 140 verschiedene Arbeitszeitmodelle. Das ist sicher nicht in jedem Betrieb umsetzbar. Es zeigt aber, dass Flexibilität ein wichtiger Faktor bei der Personalgewinnung ist. Einfach nur 9 to 5-Jobs anzubieten, reicht nicht mehr aus. Überhaupt setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass die pure Anwesenheit im Büro nichts über die Qualität der geleisteten Arbeit aussagt. Wenn jemand in vier Stunden hervorragende Ergebnisse liefert, will er nicht die restlichen fünf Stunden gelangweilt im Büro sitzen, weil das eben immer schon so gemacht wurde. Mit Selbstverwirklichung hat das wenig zu tun. Wer hier umdenkt, kann jungen Generationen schon eine Menge bieten. 

 

Philipp Hubert: „Büros geben Kreativität einen Raum und bleiben ein Statussymbol.“ 

 


Ist das Büro als Arbeitsort überhaupt noch wichtig oder wollen junge Talente vor allem ins Homeoffice oder remote arbeiten?


Das Büro ist heute nicht mehr der zentrale Arbeitsort, wie vielleicht noch in den 80ern. Aber: Ansprechend eingerichtete Büros, die Kreativität einen Raum geben und den Austausch mit den Kollegen fördern, bleiben wichtig. Auch als Statussymbol. Wer kennt nicht die Bilder der modernen Bürokonzepte von Apple oder Google und denkt sich: Dort würde ich auch gerne arbeiten? Büros machen etwas mit den Menschen. Sie sorgen für Identifikation – und das generationenübergreifend.

 

Wie sieht es mit der Führungskultur aus? Wollen junge Menschen tatsächlich weniger Hierarchien?


Flache Hierarchien sind aus meiner Sicht überbewertet. Sie spielen zumindest für junge Generationen nicht die Rolle, die ihnen immer zugeschrieben wird. Viel wichtiger ist Augenhöhe. Ich möchte von meinem Chef ernst genommen und nicht von oben herab behandelt werden. Das geht auch in sehr hierarchischen Organisationen.

Wie sollte sich das auf die Gestaltung der Büros auswirken?


Ich habe die vielleicht etwas abstruse Vorstellung, dass der Chef eines Unternehmens im Eingangsbereich sitzen müsste. Denn nur so bekommt er alles mit. Das ist natürlich unrealistisch. Der Gedanke ist aber: Verstecken Sie sich nicht im berühmten Elfenbeinturm. Gehen Sie durch die Büros oder in die Produktionshallen und sprechen Sie mit den Leuten. Auch die Sachbearbeiterin möchte wahrgenommen und gehört werden. Sicher profitiert auch die Vorstandsvorsitzende von diesem Austausch. Ich werde immer hellhörig, wenn mir Mitarbeitende in einem Coaching erzählen, dass sie ihren Chef seit Monaten nicht gesehen haben. Das ist meist kein Zeichen für eine gute Unternehmenskultur. 

 

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Philipp Hubert
Arbeitspsychologe und Autor

Kopfsache: Philipp Hubert


Als Arbeitspsychologe und Autor ist Philipp Hubert ein deutschlandweit gefragter Experte für Personal- und Veränderungsprozesse. Unternehmen und Organisationen aus ganz verschiedenen Branchen vertrauen auf seine Kompetenz und nutzen seine Expertise für ein besseres Verständnis junger Generationen. Auch in Vorträgen, Workshops und Coachings teilt Philipp Hubert sein Wissen und seine Erfahrung. Mit seinem Buch „Generation Z – Personalmanagement und Führung: 21 Tools für Entscheider“  gibt er zudem einen wissenschaftlich fundierten und praxisorientierten Einblick in modernes Personalmanagement sowie Führung mit Fokus auf junge Fachkräfte und Experten der Generation Z.

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